22.22.2009
3. Merkers Kristallmarathon


Ein Bericht von
Mirko Leffler

Nur für einen Moment genieße ich die Stille: 500 Meter Erde liegen über und jetzt, in der zweiten Runde, 3.500 Meter hinter mir. Definitiv, es riecht wie in seiner alten Schmiede! Plötzlich sehe ich Opa Theo mit seinem Amboss am Feuer. In meinem Kopf! Dass wir uns im Himmel nicht wieder begegnen würden, habe ich schon damals vermutet. Aber hier? Im Erlebnisbergwerk Merkers? So weit unten sind wir doch gar nicht! Ich schließe kurz die Augen, fühle mich augenblicklich frisch und mutig und laufe nun befreit auf. Steinerne Berge und Täler gleiten vorbei. Abrupt beklatscht mich das tosende Publikum. Ich liege knapp hinter dem Führenden! Na also.

Dieser 22. Februar 2009 wird mein Tag! Doch was bedeutet denn diese Zahl auf der Anzeigetafel? Frechheit, ich bin gerade überrundet worden! Sofort schalte ich in der trockenen Luft auf Sparmodus und rücke meinen Helm zurecht. Dann wird der 3. Kristallmarathon eben doch nur ein Trainingslauf. Erneut begegne ich dem weltgrößten unterirdischen Schaufelradbagger und der "Baggerbar". Dort, wo heute leider keine Schicht im Schacht ist. Meine Freunde Daniel Kluge, Marco Meier und Stefan Hantscher sind längst vorausgeeilt. Ich hingegen atme wieder Vergangenheit. Dieser Stollen erinnert eindeutig an den Chemieunterricht! Ein kurzer Stoß holt mich aus dem Schultrauma. Daniel zieht winkend vorüber. Das wird wohl nicht die letzte Überrundung bleiben!

Umgehend beginne ich, finstere Finsternisgedanken zu bekämpfen: "Nur noch drei Runden, schon bin ich in Runde 10, dann nur noch drei Runden!" Klingt logisch. Darauf eine Pause! Ich lüfte einen Vorhang am Wegesrand. Plötzlich bin ich in Sibirien. Durch eine geöffnete Tür sehe ich einen Kameraden mit gelbem Leibchen über einem Fass hocken. Die "Toilette" nebenan ist natürlich auch noch frei. Wenigstens vergeuden wir kein Wasser. Auch nicht mit Händewaschen. Weiter zur nächsten Steigung! Moment mal, rasselt meine Lunge? Insgesamt sollen es ja 700 Anstiegs-höhenmeter werden! Ich horche in mich hinein, doch aus dem Ton wird ein Lied. Glück gehabt! Ein pfiffiger Verpflegungsständler vertreibt sich das Warten mit spitzem Mund.

Mein Tiefenmesser zeigt 13.11 Uhr: Halbzeit nach 2 Stunden und 10 Minuten. Stefan überholt mich aufmunternd. Im Vertrauen auf den Philosophen Emerson schalte ich die Stirnlampe aus; die Strecke kenne ich doch nun. Wie hinterließ er so schön: "Nicht in die Ferne, in die Tiefe sollst du reisen." Genau! Aber warum ist es auf einmal so dunkel und wieso denke ich an das Grubenunglück in China? Zu wem gehören die Schritte, die unaufhaltsam näher kommen? Irgendwo hier unten lagerte doch das legendäre Reichsgold - existiert hier etwa ein Echo vergangener Zeiten?

Schlagartig verstehe ich, warum so wenige Frauen dabei sind. Werde ich jetzt ein Opfer der Klaustrophobie? Nein, es ist der leibhaftige Klaus, der mich packt! Sonnenschein Klaus Lederer, der diplomierte Ingenieur und jetzt freiheitslebende Marathonbummler, hat sogar in der Unterwelt einen schweizer Geldspender gefunden, um kostenfrei durchzustarten. Der liebenswerte "Schwarzläufer", der sich seit seinem 50. Geburtstag nur noch "Claus" schreibt, weil das auf dem Papier unglaublich jung wirkt, bewegt sich bei 21°C selbst dort im flotten Wanderschritt, wo ich schon längst trippele.

Ob das an der fehlenden Hose unter seinem selbst gebastelten Kittel liegt? Schon sausen Daniel und Stefan noch einmal ungestüm vorbei. Beflügelt schwebe ich nach 13 Runden dem Ziel entgegen, setze zur Landung an und lausche zufrieden den beeindruckenden Ergebnissen meiner Kameraden: Daniel 3:34:28. Stefan 3:56:42. Marco 4:24:49! Und auch ohne einen einzigen Blick in die sagenhafte Kristallgrotte gewagt zu haben, bin ich nach 4:42:54 sicher: Selbst im Dunkeln ist Licht!

 
 

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