Marathon du Medoc 11.09.04
Bericht und alle Fotos von Zenon Karczewski

Als wir Sonnabend früh von Bordeaux zum Start des 20. Medoc-Marathons losfahren, ist es draussen noch finster, dichter Nebel hängt über den Weinfeldern der Halbinsel. Aber Pauillac- der Start und Zielort des "längsten Marathons der Welt" emfängt uns mit schönem Wetter und Temperaturen weit über 25 Grad - optimale Bedingungen für den ca. 6 Stunden bzw. mindestens 42,195 km langen Läufer-Karneval.

Wie schon vor 3 Jahren sind die Trolle wieder durch Hubertus, Peter und mich vertreten, zusätzlich ist unsere "Trolline" und Peters Freundin Bärbel dabei, inzwischen auch eine "alte" Marathon-Läuferin. Und wie damals ist unser Reiseveranstalter der Dresdner Laufsportladen. Ca. 22 Stunden hat die Busreise von Dresden nach Bordeaux gedauert, über 100 Läufer und Begleiter aus Dresden und Chemnitz sind dabei.

Unser Hotel, im historischen Zentrum der Stadt gelegen, ist o.k., nach der Ankuft Freitag früh (Bild 1) lassen wir dort das Gepäck, machen zunächst eine Stadtrundfahrt , laufen dann zu Fuss durch die Altstadt (Bild 2) und besichtigen u.a. die gotische Kathedrale Saint-Andre (Bild3). Am Nachmittag werden in Pauillac die Stadtunterlagen abgeholt und die wenig beeindruckende Marathon-Messe besucht (Bild 4), dann fahren wir zurück ins Hotel und gehen, geschafft von den Strapazen der Reise, beizeiten ins Bett. Wer länger aufbleibt und noch den guten Bordeaux-Wein geniesst, wird morgen früh Probleme beim Aufstehen bekommen.

 

2001 liefen wir - Dresdner Trolle - noch alle als Bayern verkleidet, diesmal hatte es mit den einheitlichen Kostümen (und es sollten diesmal "Trolle" sein) nicht geklappt - Peter und Hubertus sind heute furchterregende"Wikinger", Bärbel eine "Wikinger-Braut", ich ziehe mein kurz vor der Angst bei einer Internet-Firma gekauftes Römer-Kostüm an (Bild 5). Wir schauen uns um und bewundern die einfallsreichen Kostüme der Anderen aus unserer Reisegruppe (Bild 6).

"Peter, Zenon" - hören wir auf einmal eine bekannte Stimme. "Wolfgang, Frank" - schreit Peter, ich drehe mich um - Wolfgang und Frank, die beiden lustigen Leipziger, die diesmal mit einer anderen Reisegruppe ankamen, sind da und sorgen sofort für beste Stimmung (Bid 7). Wir lachen und freuen uns, die Erinnerungen an lustige Episoden von vor 3 Jahren, als die beiden noch unsere Zimmergenossen waren, werden wach. Aber viel Zeit haben wir jetzt nicht dafür, denn es ist kurz vor 9:00 und wir müssen langsam zum Start.

Es ist wie beim Fasching: links fechten gerade die 4 Musketiere gegen die Soldaten vom Cardinal Richelieu (Bild 8), rechts zieht ein ganzer Bienenschwarm an uns vorbei, vor uns laufen 3 "unten ohne" (Bild 9) und von hinten kommt ein Pärchen, das Peter in Verzückung versetzt - er rennt hin und greift der "Mannfrau" (es ist ein alter Bekannter vom letzten Mal) kräftig an die "Brust" (Bid 10).

Sind wir wirklich beim Marathon, müssen wir heute 42,2 km laufen? Keiner denkt jetzt daran, die übliche Nervosität ist überhaupt nicht zu spüren. Wir ziehen mit dem Strom der ca. 8000 Läufer Richtung Start und staunen über den Einfallsreichtum bei der Kostümgestaltung und über den Humor der sonst so bierernsten Marathonis: da sind Judokas dabei, Indianer, Japaner, Chinesen, Krankenschwestern, Clowns, Mönche, Nonnen, Bauern und Bäuerinen, reiche Kaufleute, Schotten, römische Legionäre, Schiffskapitäne, Katzen und Bären, Teufel und Teufelinnen, und, und, und...

Hin und wieder begegnen wir unseren "Artgenossen": Peter kriegt von anderen "Wikingern" einen "auf die Mütze" (Bild 11), ich mache mir ein Foto mit friedlichen "Römern".

Es ist kurz vor halb zehn. Es herrscht ausgelassenen Stimmung, eine Kapelle, die gerade noch neben uns unten stand, schwebt jetzt in luftiger Höhe über dem Start-Transparent (Bild 12)

Und endlich ist es soweit: der Startschuss fällt und die Masse fängt an, sich gemächlich nach vorn zu bewegen, vorbei an Tausenden von jubelnden Zuschauern. Zunächst durch die Strassen von Pauillac (Bild 13), dann, nach ein paar Kilometern, durch weite bis zum Horizont reichende Weinfelder, auf denen die besten und teuersten Rotweine der Welt reifen (Bild 14) . Schon bald erreichen wir das erste Chateau - das herrliche Chateau Latour (Bid 15). Über 60 , teilweise sehr bekannte "Schlösser" werden es noch sein, an denen wir vorbeilaufen, viele von Ihnen mit einer Verpflegungsstelle.

Peter und Bärbel sind inzwischen verschwunden, wir laufen jetzt mit Hubertus zu zweit. Es ist leicht bewölkt und sehr warm aber dennoch lässt es sich in der Verkleidung ganz gut aushalten. Wir haben jetzt ca. 10 km hinter uns, die Stimmung ist nach wie vor prächtig, noch keine Spur von Müdigkeit.

Hinter mir höre ich auf einaml ein lautes Dröhnen, ich schaue mich um. "Vorsicht" - schreie ich zu Hubertus und zerre ihn zur Boden. An uns rauschen ca. 10 "Jumbo-Jets" vorbei und verschwinden schon nach wenigen Sekunden in den Weinstöcken hinter der nächsten Kurve (Bild 16). "Uff", nach diesem Stress ist jetzt Zeit für eine Erholungspause. Wir steuern die nächste Verpflegungsstelle an (Bild 17), essen und trinken und betrachten in aller Ruhe das bunte Treiben um uns herum.

O.K. weiter geht's. Wir passieren die Chateau's: Larose Trintaudon, Batailley und Grand Puy Lacoste , die nächsten grossen Ziele werden die berühmten Rothschild-Schlösser sein: Mouton Rohtschild und Lafite Rothschild. Ich freue mich schon drauf und erhöhe etwas das Tempo. Bei Hubertus zieht es aber leicht im rechten Bein, er möchte ein Stück gehen. "In Ordung" - sage ich - "wir treffen uns bei km 25, ich laufe schon vor".

An der Verpflegungsstelle im Chateau Pontet-Canet bei km 21 gönne ich mir mein erstes Glas Wein (Bild 18). "Hmm- nicht schlecht" , auch wenn es sicherlich nicht ein teurer Erstwein Jahrgang 81 ist.

Jetzt kommt die erste grosse Nummer (s. Les Grands Crus Classes) - Chateau Muton Rothschild. Ich laufe in den riesigen, herrlich gepflegten Park ein (Bild 19) und beschliesse spontan, hier auf Hubertus zu warten. Eine schönere Stelle wird es kaum noch geben. Aber Hubertus kommt lange nicht, also ändere ich die Taktik und versuche so schnell wie möglich, zu Peter und Bärbel aufzuschliessen.

Genau bei km 25, am Eingangstor des Chateau Lafite Rothschild ist es soweit. "Herr Maier" - schrei ich laut - "wartet, wir machen hier erst mal ein schönes Foto". Als ich "abdrücken" will, rennt Peter auf einmal auf die andere Seite vom Tor und holt das Schild mit dem Schloss-Namen. Ja, so ist es noch besser. Als wir das Schild zurück auf die andere Seite stellen wollen, da kommt schon die nächste Gruppe und zerrt es uns aus der Hand - die wollen auch so ein Bild haben (Bild 20).

Im Lafite Rothschild legen wir, an einer Verpflegungsstelle mit Blick auf einen schönen See, wieder eine Rast ein. Wir haben ja Zeit, das Zeitlimit liegt bei diesem "Marathon" bei 6:30 und hier ist es so himmlisch schön. Oder einfach teuflisch gut (Bild 21)?

Wir laufen weiter. Die nächste Station: das prächtige Chateau Le Crock bei km 27. Hier ist viel los, da können wir nicht so einfach vorbeilaufen. Wir bleiben stehen, trinken ein Glas Rotwein, essen Kuchen und Rosinen. Ein Lufballon landet gerade auf der Wiese hinter uns. "Peter, Zenon" - ruft uns auf einmal eine bekannte Stimme. Es ist Hubertus. Er hat den Anschluss geschafft - die Dresdner Trolle sind wieder zusammen! Wenig später treffen wir auch die beiden "Skatbrüder" aus Leipzig: Frank und Wolfgang (Bild 22). Und wer kommt denn dort? Das ist doch der Benno, leicht geschafft aber trotzdem fröhlich. Wie geht's Benno - frage ich. "Mit jedem Kilometer besser" - sagt er und lacht. Na, da ist die Welt wieder in Ordnung. Auch Benno's "Ballet-Truppe" ist da, wir schiessen ein obligatorisches Foto (Bild 23) und schwatzen noch 'ne Weile. Ich verliere dabei meine Trolle aus den Augen. "Ich glaube, die sind schon weg" - sagt Benno.

Also laufe auch ich auch weiter, werde dabei immer schneller, aber von Peter, Hubertus und Bärbel ist nichts zu sehen. Jetzt merke ich langsam, dass wir hier bei einem Marathon sind, einem Lauf, der erst nach 30 Kilometern so richtig beginnt. Na ja, heute wird es nicht so schlimm werden, trotzdem die Oberschenkel werden langsam fest, an beiden Füssen habe ich Blasen bekommen. Da hätte man im Vorfeld doch ein bisschen mehr trainieren sollen.

Im Chateau Phelan Segur trinke ich wieder einen Schluck Rotwein, wenig später ist schon das Chateau Haut-Marbuzet in Sicht. Es ist Kilometer 35. Soll ich jetzt auf die Anderen warten oder weiter laufen? Ich entscheide mich für das Letztere. Jetzt will ich schnell ins Ziel und erst dort weiter feiern. Vom Laufen habe ich langsam genug.

Da kommt schon der berühmte Kilometer 38. Hier anzuhalten und (die Manneskraft stärkenden) Austern mit Weisswein zu geniessen ist Pflicht (Bild 24). Also nehme ich zunächst eine in den Mund, dann die zweite und die dritte. "Mann, die schmecken gar nicht so schlecht, wie ich dachte".

Noch 4 Kilometer und ich bin auf dem roten Teppich und passiere die Ziellinie. 5:43:10 - neue Medoc-Bestzeit! (Bild 25). Mit schöner Medaille, einem Rucksack, einer Weste und einer Flasche Rotwein, die jeder Finisher bekommt, gehe ich in das grosse Zelt neben dem Zielbereich. Hier gibt es was zu essen und zu trinken, gleich am Eingang lächelt mich ein "Engelchen" an und reicht mir einen Becher mit Rotwein (Bild 26) . "Merci" - bedanke ich mich brav. Ich drehe eine Runde im Zelt, wenig später bin ich wieder am Eingang und wieder bekomme ich Rotwein von demselben freundlichen Mädchen.

Nach dem vierten Becher wird meine Stimmung richtig gut. Keine Spur mehr von Müdigkeit, die Blasen an den Füssen tun auch nicht mehr weh. Ich schaue auf die Uhr - gleich ist das offizielle Zeitlimit von 6:30 Stunden abgelaufen. Wo sind die Anderen? Bei den Austern steckengeblieben? Nein, da kommen sie doch schon. Zunächst sehe ich die beiden stämmigen "Winkinger" mit ihrer "Braut", dann kommt Frank, zum Schluss Wolfgang, begleitet von 2 flotten "Mietzen" (Bild 27). "Mensch, Wolfgang, wo hast Du die Mädels her?" - frage ich etwas neidisch. Wolfgang lacht nur schelmisch, stolz auf seinen unwiderstehlichen Charme.

Wir trinken wieder Rotwein, ein Glas und dann noch eins. Die Frauen werden immer schöner, die Laune immer besser. Auf einmal taucht in der Mittel des Zeltes eine Blas- und Trommelkapelle auf und sorgt für noch mehr Stimmung (Bild 28). Wir tanzen und singen: "Einer geht noch, einer geht noch rein, einer geht noch rein".

Die Zeit vergeht schnell, es ist schon kurz vor sechs. Schade, aber wir müssen jetzt gehen. Am unseren Bussen treffen wir die anderen Läufer aus unserer Reisegruppe - manche sehen ziemlich abgekämpft, andere dagegen noch ganz frisch und munter aus (Bild 29 und Bild 30). Nach ca. 1,5 Stunden sind wir in unserem Hotel in Bordeaux.

Am Sonntag fahren wir noch zu einer Weinverkostung ins Chateau Kirwan (Bild 31), danach zu dem herrlichen Strand von Arcachon (Bild 32). 18:00 Uhr geht es von dort wieder zurück Richtung Dresden. Es werden insgesamt 24 Stunden Busfahrt sein, unterbrochen von einem 2stündigen Aufenthalt in Speyer (Super-Idee des Reiseveranstalters!), den die meisten von uns zum Besuch des berühtem Doms nutzen.

Montag, gegen 19:00 Uhr bin ich wieder zu Hause. Als ich die Reisetasche auspacke, finde ich mein in Bordaux verloren geglaubtes Portemonnaie mit Bargeld und Kreditkarten wieder. Ein Happy-End einer schönen (Bus)-Laufreise.

(Nur) Fliegen wäre schöner gewesen.

 

Bordeaux Austern Dom zu Speyer
2. Stadtbesichtigung
1. Vor dem Hotel
3. Cathedrale Saint-Andre 4. Marathon-Messe
5. Dresdner Trolle 6. Das Sachsen-Team
8. Die 4 Musketiere
7. Vor dem Lauf
9. "Unten ohne" 10. Peter in Aktion
12. Kurz vor dem Start
11. Wikinger
14. Durch die Weinfelder
13. Nach dem Start
16. Jumbo-Jets
15. Am Chateau Latour
17. Verpflegungsstelle
18. Chateau Pontet-Canet
19. Muton Rothschild
20. Lafite Rothschild
21. Teuflisch gut
22. Kilometer 27
24. Kilometer 38
23. "Bennos Ballettgruppe"
25. Zieleinlauf
26. Ein Engelchen
27. Wolgangs "Mietzen" 28. Blaskapelle
32. Arcachon
29. Ulrike (rechts) 30. Steffen (rechts) 31. Am Chateau Kirwan
 

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