3. Borneo Marathon von Kota Kinabalu
02.05.2010


Ein Bericht von Zenon Karczewski


Sonntag, der 2. Mai 2010. Es ist 2:45 AM als ich Joseph Larida von den Phillipinen im Fahrstuhl des CitiTel-Express-Hotels in Kota Kinabalu kennen lerne. Er gehört wie ich zu den knapp 200 Marathonis, die in reichlich einer Stunde auf die Strecke des 3. Borneo-marathons geschickt werden. Die Veran-stalter sorgten dafür, dass die auswär-tigen Teilnehmer von ihren Hotels mit Bussen abgeholt werden. Immerhin liegt das Likas-Stadion, wo wir starten werden, einige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und es wäre um diese Zeit nicht so einfach zu erreichen. „Wie ist die Form?“ – frage ich den sympathischen Joseph auf Englisch. „Nicht so gut, ich habe nicht viel geschlafen und habe Kopfschmerzen“ – antwortet er ehrlich.

Er will heute so um 4h15 laufen. Es ist erst sein 3. Marathon. Im Bus sitzen wir nebeneinander und unterhalten uns über das Laufen in Südost-Asien, auf den Philippinen und in Deutschland. Das Flutlicht erhellt das Innere des Likas-Stadions. Ich mache noch ein paar Fotos, gebe meine Sachen ab und noch etwas verschlafen und müde (die letzten beiden Nächte waren sehr kurz) warte ich auf den Start. Um 4:00 Uhr werden wir in die Dunkelheit von Kota Kinabalu entlassen. Die Luft ist sehr warm und feucht. Es müssten so um 35 Grad sein. Der Temperatur-unterschied zwischen Tag und Nacht ist in diesen Regionen Asiens nur unwesentlich.

Nach ca. 2 Kilometern erreichen wir die Uferstrasse und laufen stadtauswärts Richtung University Malaysia Sabah. Die Gruppe der ca. 200 Läufer zieht sich schnell auseinander. Ich laufe alleine, so etwa in der Mitte des Feldes. Joseph, mit dem wir zusammen gestartet sind, muss irgendwo hinter mir sein. Nach der Singapur-Erfahrung von vor 14 Tagen (s. Bericht Run For Water) fange ich heute besonders vorsichtig an und möchte diesen „Sauna-Marathon nur „überleben“. Natalie Privette - eine Lehrerin aus den USA (Foto ganz unten), die zur Zeit in Malaysia arbeitet und die ich gestern bei der Pasta-Party, genauso wie Mohanadas Kandiah, Yum Kin Kok, Shanaz Shamsuddin und Irwan Anuar kennengelernt habe, überholt mich nach 3 Kilometern.

„How are you?“ – frage ich und sie antwortet mit dem obligatorischen „Fine and you?“. Das reicht erst einmal als Small Talk, sie zieht recht zügig davon. Ich glaube, sie will heute unter 4h laufen. Ob wir uns heute auf der Strecke noch mal sehen? Wer weiß, der Marathon kann, speziell in seiner letzten Phase sehr lang werden. Zur Zeit denke ich nicht daran, mir irgendein Ziel zu setzen oder mit Jemandem mithalten zu wollen.

 

In der Nachstimmung einer beleuchteten Asphaltstrasse auf Borneo spüre ich die Einsamkeit des Marathonläufers. Feuchtwarme Luft und die Stille, die nur ab und zu durch ein laute Vogelstimme unterbrochen wird. Nach ca. 8 Kilometern passieren wir eine mit großen Luxus-Hotels zubetoniere Gegend, die um diese Zeit einen ziemlich tristen, gar gespenstischen Eindruck macht. Dann wird es auf einmal - etwa 1 Kilometer lang - fast ganz dunkel – keine Straßenbeleuchtung mehr, links und rechts sehe ich nur Ölpalmen-Plantagen .

Bei Kilometer 12 erreichen wir die erste Wendestelle. Kurz davor drehe ich mich um und sehe 30 Meter hinter mir Yinn Pin und Joseph. Sie holen mich ein. Ein paar Minuten lang laufen wir zusammen, dann gehe ich austreten und lasse sie weiter ziehen. Ich will lieber alleine sein und mein eigenes Tempo rennen. Irgendwie läuft es heute nicht so richtig. Ist es die Müdigkeit? Ist es das feuchtwarme Klima? Oder einfach die Einstellung, dass ich heute, zumindest in der ersten Hälfte langsam laufen muss, um überhaupt ins Ziel zu kommen. Mein "knackendes" Knie spielt dabei auch eine Rolle. Kurz vor einem Marathonlauf sollte man keine anderen Sportarten treiben. Und schon gar nicht Badmington spielen. Den Fehler habe ich vor ein paar Tagen gemacht und mein rechtes Knie überlastet, das jetzt bei jedem Schritt "knackt". Ich spüre zwar noch keine Schmerzen aber das Gefühl ist unangenehm. Ich laufe wie mit angezogener Bremse, mit der Angst, dass das Knie irgendwann mal bei diesem langen Lauf anfängt weh zu tun und ich womöglich gar nicht ins Ziel komme.

Anderthalb Stunden sind vergangen. Es wird langsam heller. Hier und da sitzen Hunde an der Strasse, gelegentlich sehe ich auch ein paar Menschen. Zum 2. Mal passiere ich die grossen Hotels, danach wird die Umgebung wieder grün und wir laufen sogar an ein paar interessanten Feucht-gebieten vorbei, die ich vorher in der Dunkelheit gar nicht wahrgenommen habe. Ich schaue natürlich nach den Vögeln und mache nur so im Vorbeilaufen ein paar ganz interessante Beo-bachtungen. Aber für richtige Ornitrollogie, wie ich sie z. B. vor einer Woche bei der Wanderung zum Broga-Hill betrieben habe, ist jetzt keine Zeit und ich muss mich wieder auf den Lauf konzentrieren. Mein Schritt ist immer noch sehr langsam und schwer und ich werde immer wieder überholt. Wird das heute noch etwas besser oder komme ich womöglich erst in 5 Stunden ins Ziel? Mittlerweile ist es ganz hell geworden. Keine Wolke am Himmel, die Sonne scheint, es wird noch wärmer. Wir laufen jetzt direkt an der Likas Bay entlang (Foto). Plötzlich kommen uns andere Läufer entgegen. Das müssten die Halbmarathon- und die 10km-Läufer sein (Foto).

Irgendwo so zwischen Kilometer 22 und 23 erlebe ich auf einmal so etwas wie eine Metamorphose. Als würde ich auf einmal wach werden. Die Kraft, die Energie und Lust am Laufen sind plötzlich wieder da.

Da, wo die meisten anfangen, zu schwächeln, werde ich plötzlich stark und fange an, das Feld von hinten "aufzu-rollen". Schluss mit dem langsamen Joggen - jetzt will ich möglichst viele Läufer überholen und eine einiger-massen passable Zeit und Platzierung erreichen. Unter 4 Stunden schaffe ich allerdings nicht mehr, da müsste ich schon mindestens unter 4'30 pro Kilometer laufen. Die Sonne brennt immer kräftiger, ich setzte die Sonnenbrille auf und ziehe die Mütze weit ins Gesicht herunter. Alle 2 Kilometer kommen Wasserstellen, jedes Mal nehme ich mindestens 2 Becher Wasser bzw. Isogetränk zu mir. Bei Kilometer 26 erreiche ich den Bus-bahnhof von Kota Kinabalu. Ich kenne ihn schon von gestern.

Nachdem ich vom Flughafen einen Bus genommen hatte, bin ich dann hier in den City-Bus umgestiegen, der mich nach einer kleinen Stadtrundfahrt zu meinem Hotel brachte.

Auf langen, geraden und offenen Straßen geht es jetzt Richtung Flughafen. Die Sonne brennt unbarmherzig. Einige müssen schon gehen, mir geht es dagegen prächtig und ich überhole einen Läufer nach dem Anderen. Jetzt kommt der Augenblick auf den ich schon lange gewartet habe - vor mir sehe ich Joseph und Yinn Pin (Foto). Sie halten gerade an einer Wasserstation an als ich sie einhole. "Hi guys, I'm back to the game" - rufe ich Ihnen lachend zu und laufe weiter. Als ich mich nach 300 Metern umdrehe, sind sie schon weit hinter mir. Ich geniesse meine "Wiedergeburt" und renne zügig weiter. Wann kommt nun endlich die Wendestelle? - frage ich mich auf der langen nicht enden wollenden Straße Richtung Airport.

Natalie läuft mir plötztlich entgegen. Hi, you are looking good - rufe ich ihr zu. "Hi" - grüßt sie zurück. Wie ist der Zeitabstand zu ihr? - frage ich mich. Kann ich sie noch einholen? Endlich kommt die letzte Wende. Ich laufe zurück und erreiche nochmal die Stelle, an der ich Natalie vorhin getroffen habe. Sie hat ca. 15 Minuten Vorsprung! Das wird schwierig mit dem Einholen aber jeder Marathoni weiss auch - wenn auf den letzten 10 Kilometern nichts geht, da kann man schnell 10, 15, 30 oder noch mehr Minuten verlieren. "Zenon, you are so fast" - ruft mir Joseph zu als wir uns nochmal begegne. Er und Yinn Pin sind schon mehrere Minuten hinter mir. Im Ziel wird später der Abstand ganze 25 Minuten Minuten betragen. Ein paar Kilometer weiter treffe ich den immer gut aufgelegten Mohanadas Kandiah aus Singapur (Foto) und mit seinem iPhone machen wir ein gemeinsames Foto. Ich bin jetzt im City Center auf der belebten Uferstrasse, mein Tempo ist nach wie vor recht hoch. Ein paar Zuschauer schauen uns zu, die Meisten sind aber Passanten, die nur zufällig gerade da sind, weil sie unterwegs zur Arbeit oder zum Einkaufen sind.

Noch 5 Kilometer. Die City ist vorbei, jetzt ist der Blick zum Meer frei, ich geniesse die tolle Sicht auf das Meer und die vorgelagerten Inseln. Gestern nachmittag, nachdem ich meine Startunter-lagen abgeholt habe, bin ich mit einem Boot zu einer dieser Inseln hinausgefahren und habe mich 3 Stunden lang an dem idyllischen Strand und in dem warmen Wasser des Südchinesischen Meeres von der Hitze des Festlands erholt (Foto).

Ich biege jetzt in die Jalan Istiadad ein, die zum Likas-Stadium führt. Auf den letzten 2 Kilometern überhole ich noch mehrere Läufer, bevor ich ins Stadion einlaufe. Ich sprinte die letzten 200 Meter, überquere nach 4h20'06 die Ziellinie und bekomme eine schöne Medaille umgehängt (Foto). Was für ein Gefühl! Ich falle auf den Rasen, schaue in den wolkenfreien Himmel und geniesse minutenlang diesen Glückmoment eines Marathonläufers. Mein 69. Marathon und das 19. Land. Ein toller exotischer Marathon, 14000 Kilometer von zuhause entfernt. Nach einer ganzen Weile erhebe ich mich wieder von dem Rasen und schaue mich um. Yum Kin Kok (Foto links) , Shanaz Shamsuddin und Irwan Anuar (Foto unten) sind auch da, alle haben erfolgreich ihren Halb-marathon absolviert. Mit einem Shuttle-Bus der Oranisatoren fahren wir mit Joseph ins Hotel. Zum Abschied tauschen wir die email-Adressen aus. Für meinen nächsten Malaysia-Aufenthalt nehme ich mir den Phillipinen-Besuch vor.

Kurzer Schlaf, Auschecken im Hotel und dann habe ich noch einen "Pflichtermin" zu erledigen - Kota Kinabalu Wetland Center (Foto). Vor dem Hotel winke ich einen Taxi-Fahrer heran und zeige ihm auf der Karte, wo es hingehen soll. Statt am Ufer entlag zu fahren, fährt er einen kürzeren Weg über den Berg und will mir die Aussicht, eine Kirche und andere Sehenswürdigkeiten von Kota Kinabalu schmackhaft machen. "No" - sage ich ihm mehrmals unmissverstänlich. Ich will nur zum Wetland Center, alles andere interessiert mich im Moment nicht. "40 Ringitt pro Stunde" - würde es kosten - meint er. Nein, ich will mit ihm keine Stadtrundfahrt machen - versuche ich, langsam etwas verärgert, ihm zu erklären. "Just Wetland Center" - wiederhole ich mehrmals. Nach einer Viertelstunde kommen wir an dem Naturreservat an. "How much?" - frage ich. "I'll be waiting here, no problem" - sagt er stur.

Es herrscht drückende Hitze, ich bin müde von dem Marathon und habe keine Lust, weiter zu diskutieren. Wortlos verlasse ich das Taxi und gehe zum Schalter. Ich soll mich ins Besu-cherbuch eintragen. Als der freundliche Mit-arbeiter des Reservats sieht, wo ich herkomme, erzählt er mir von einer Gruppe Studenten aus Hamburg, die hier vor Kurzem an einem Forschungs-projekt gearbeitet haben. "Wie sieht es mit Vögeln aus?" - frage ich. "Nun - sagt er - es gibt viele hier aber die Tageszeit ist denkabar ungünstig für Vogelbeobachtung". Es ist 13:00 Uhr, in der Mittagshitze herrschen gefühlte 40 Grad. Die Sonne brennt mir auf den unbedeckten Kopf, der Schweiss läuft in Strömen über den Körper als ich auf den Holzstegen (Foto) den Park erkunde.

Die Vögel halten sich offenbar versteckt, ich kann nur einen kleinen Sing-vogel fotogra-fieren. Ein Kappenliest--Pärchen sehe ich auch, für ein Foto sie sind aber zu schnell wieder weg. Nach einer Stunde verlasse ich wieder das schöne Bird Sactuary. Der Taxi-Fahrer wartet draussen und winkt mir schon zu als ich herauskomme. Ich steige wieder bei ihm ein und lasse mich ins Hotel fahren. "1,5 Stunden bei 40 Ringit pro Stunde, das macht 60 Ringitt" - nennt er seinen Preis. Ich gebe ihm 50. "This is o.k." - sage ich und steige aus. "Gauner" - überrascht er mich in perfektem Deutsch. Es klingt aber nicht böse. "Selber Gauner" - entgegne ich lächelnd und winke ihm zum Abschied.

Einige Stunden später bin ich wieder in 1600 Km entfernten Kuala Lumpur. Mein vorerst letzter Wochenend-Ausflug (nach Singapur und Broga Hill) ist zu Ende. Fortsetzung folgt im Juni.

Meine Durchgangszeiten:
_5km - ____30'14"
10km - _ 1h01'19''
15km -__1h33'48"
20km - _ 2h08'25"
23km -__2h29"43''
24km - _2h34'50''
30km - _3h09'33''
34km - _3h31'43"
40km - _4h09'18"
42,2km - 4h20'06"

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